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05 may 2020 | Oberflächen POLYSURFACES 01/2020 | Technique de revêtement

Moderne Verfahren zur Beschichtung metallischer Platten und Bänder

Torsten Kopte und Christoph Metzner

Der Einsatz metallischer Platten und Bänder hat auf Grund der hervorragenden Eigenschaften dieser Werkstoffklasse eine schnell wachsende Verbreitung gefunden. Ein wesentlicher Nachteil von Metallen ist jedoch deren oft unzureichende Korrosionsbeständigkeit. Jährlich gehen den Volkswirtschaften grosse Materialmengen durch Korrosion verloren. Es ist daher ein uraltes Bestreben, die Oberflächen metallischer Bauteile zu veredeln.
 
Stand der Oberflächenveredelung metallischer Platten und Bänder
Die Beschichtung metallischer Platten und Bänder hat einen hohen Entwicklungsstand erreicht. Dabei spielen besonders Korrosionsschutzschichten auf der Basis von Zink und Zinn eine herausragende Rolle. Die Herstellung dieser Schichten erfolgt hauptsächlich durch Schmelztauchveredlung oder elektrolytische Abscheidung. Weltweit ist eine grosse Anzahl derartiger hochproduktiver Anlagen im Einsatz [1].
Eine weitere wichtige Technologie zur Oberflächenveredlung metallischer Platten und Bänder bildet die Beschichtung mit organischen Materialien wie zum Beispiel Lacken. Besonders hoch beanspruchte metallische Bauteile werden durch Mehrschichtsysteme unter Nutzung verschiedener Beschichtungstechniken vor Korrosion geschützt.
Grundsätzlich sind auch PVD-Prozesse (PVD = Physical Vapour Deposition) zur Abscheidung von Korrosionsschutz- und Funktionsschichten auf metallischen Platten und Bändern geeignet. Dabei bietet diese Technologie entscheidende Vorteile:
  • eine grosse Vielfalt abscheidbarer Schichtmaterialien (Metalle, Legierungen, Verbindungen, auch metastabile und Gradientschichten)
  • eine geringere Temperaturbelastung (wichtig z.B. bei hochfestem Stahl)
  • die hohe Umweltverträglichkeit des Verfahrens

Die Entwicklung begann bereits 1964, also vor 56 Jahren in den USA [2]. In den Achtzigerjahren war vor allem bei den japanischen Stahlunternehmen Nisshin Steel, Kobe Steel und Nippon Steel ein grosser Aufschwung dieser Technologie in Zusammenhang mit dem Bau von Pilot- und Produktionsanlagen zu verzeichnen [3]. Auch in Deutschland wurde 1981 in Bad Salzungen eine Produktionsanlage zur PVD-Beschichtung von Stahlband mit Aluminium errichtet und in Betrieb genommen [4]. Mit den genannten Anlagen wurden vorrangig Stahlbänder im Pilot- und Produktionsmassstab mit Aluminium oder Zink beziehungsweise deren Legierungen beschichtet. Erst in den Neunzigerjahren erfolgte die Ausweitung auch auf andere Substrate (z. B. Aluminiumband) und Schichtmaterialien (z. B. Siliziumoxid, Titannitrid, Titanoxid) [5].
 
Einsatz von PVD-Verfahren
Die PVD-Beschichtungen müssen sich hinsichtlich der Beschichtungskosten und der Qualität der abgeschiedenen Schichten mit anderen, konventionellen Oberflächenveredlungsverfahren vergleichen lassen. Besonders vorteilhaft sind dabei solche Prozesse, die es erlauben, mit sehr hohen Raten eine grosse Fläche zu beschichten. Vergleichsweise geringe Veredlungskosten lassen sich vor allem dann erzielen, wenn die Beschichtungsanlagen kontinuierlich und mit hoher Produktivität arbeiten und die abgeschiedenen Schichten verhältnismässig dünn sind [6]. Unter den PVD-Verfahren werden diese Forderungen am besten durch die Vakuumbedampfung, in vielen Fällen durch die Hochrate-Elektronenstrahl-Bedampfung (EBHD), erfüllt.
 
Bild 1: Verfahren zur Plasmaaktivierung der Grossflächen-Hochratebedampfung: links SAD-Prozess (Spotless arc Activated Deposition) und rechts HAD-Prozess (Hollow cathode Activated Deposition).

 

Neue PVD-Verfahren
Der Weg zu immer höheren Beschichtungsraten, besonders bei der EBHD, ist insofern erschwert, als die mit hoher Rate aufwachsenden Schichten ein ausgeprägtes stängelförmiges Gefüge aufweisen [7]. Derartige Überzüge sind für viele Anwendungen, vor allem für den Korrosionsschutz, ungeeignet. Die Ursache für diesen Effekt ist die geringe Energie der Dampfteilchen bei der EBHD. Die kondensierenden Teilchen haben weder genügend Zeit noch ausreichende Energie, um durch Platzwechselvorgänge ein dichtes Gefüge auszubilden. Zur Erhöhung der Teilchenenergie gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: einerseits die Abscheidung bei sehr hohen Substrattemperaturen und andererseits Plasmaaktivierung bei der Bedampfung. Die Substrattemperatur lässt sich in den meisten Fällen nicht beliebig hoch wählen. Die Beschränkungen resultieren in erster Linie aus den Eigenschaften der eingesetzten Metallsubstrate.
Plasmaaktivierte Bedampfung ist ein schon lange bekanntes Prinzip [8]. Die Herausforderung ist jedoch die Bereitstellung leistungsstarker Quellen für dichte Plasmen, die sowohl einer hohen Beschichtungsrate als auch für die Grossflächenbeschichtung angepasst sind. Die wohl wirksamsten Plasmen lassen sich durch Bogenentladungen erzeugen. Im Fraunhofer FEP wurden daher Prozesse auf der Grundlage der Kombination der EBHD mit verschieden geführten Bogenentladungen entwickelt. In Bild 1 sind zwei dieser Verfahren schematisch dargestellt.
Beim SAD-Prozess (SAD = Spotless arc Activated Deposition) wird die EBHD mit einer speziellen Vakuumbogenentladung kombiniert [9]. Der kathodische Fusspunkt der Entladung befindet sich dabei im heissesten Verdampfungspunkt. Bei ausgewählten Metallen, vor allem hochschmelzenden Materialien, ist der kathodische Fusspunkt bei Verdampfungstemperatur nicht wie bei bekannten Bogenentladungen auf weniger als 1 mm² konzentriert ausgebildet, sondern schlägt in einen diffusen Mode um. Dieser «diffuse Fusspunkt» nimmt eine Fläche von mehreren Quadratzentimetern ein und emittiert keine Spritzer. Da die Entladung dem heissesten Punkt auf dem Verdampfer und damit der Elektronenstrahlablenkung folgt, kann ohne hohen zusätzlichen Aufwand eine plasmaaktivierte Grossflächenbedampfung realisiert werden. Die Bogenentladung brennt direkt im Dampf und benötigt kein zusätzliches Trägergas. Mit Bogenströmen von mehreren Tausend Ampère lassen sich zum Beispiel bei der Bedampfung mit Titan bei einer Abscheiderate von 1 µm/s Ionenstromdichten bis zu 400 mA/cm² am Substrat erzielen [10].
Die Kombination der EBHD mit einer Hohlkathoden-Bogenentladung bildet die Grundlage für den HAD-Prozess (HAD = Hollow cathode Activated Deposition) [11]. Beim Grossflächenverdampfer werden dazu direkt unter dem Substrat eine Reihe von Hohlkathoden installiert, deren Entladungen die Dampfwolke durchdringen. Dieser Prozess eignet sich besonders zur reaktiven Bedampfung mit isolierenden Verbindungen wie Silizium- und Aluminiumoxid. Eine Besonderheit der Hohlkathoden-Bogenentladung stellt der gerichtete Anteil der Elektronen im Plasma dar. Diese Elektronen weisen eine mittlere Energie von 10 bis 15 eV auf. Aus der hohen Elektronentemperatur im Plasma ergibt sich eine entsprechend hohe Selbstbiasspannung an isolierenden Substraten. Eine spezielle Gestaltung der Elektroden ermöglicht es, hochisolierende Materialien über lange Betriebszeiten störungsfrei abzuscheiden. Typische Entladungsströme liegen bei 200 A pro Hohlkathode. Mit einer derartigen Anordnung lassen sich zum Beispiel Al2O3-Schichten mit Raten von 50 bis 120 nm/s und Ionenstromdichten von 30 bis 50 mA/cm² am Substrat abscheiden.
 
Bild 2: Einfluss der Plasmaaktivierung auf die Mikrostruktur von Chrom-Zirkon-Schichten: links Schicht ohne Plasmaaktivierung aufgedampft und rechts Schicht mit Plasmaaktivierung aufgedampft (SAD-Prozess).

 

Anwendungsbeispiele für die plasmaaktivierte Bedampfung
Auf der Grundlage von PVD-Verfahren wurden eine ganze Reihe von innovativen Schichtsystemen auf metallischen Platten und Bändern durch EBHD abgeschieden und untersucht. Im Vordergrund stand dabei der Einsatz der im FEP entwickelten Plasmaaktivierungsverfahren (SAD-HAD-Prozess) zur Verbesserung der Schichtstruktur. Der erwartete gravierende Einfluss des Plasmas auf die Struktur der abgeschiedenen Schichten wurde bei beiden Verfahren beobachtet. In Bild 2 ist der Einfluss des SAD-Prozesses bei der EBHD von Chrom-Zirkon-Schichten anhand von REM-Aufnahmen der Querschliffe demonstriert. Bild 2 links zeigt eine etwa 4 µm dicke Chrom-Zirkon-Schicht, die ohne Plasmaaktivierung mit einer Rate von etwa 1 µm/s aufgedampft wurde. Das Gefüge weist eine poröse Mikrostruktur mit Stängeln auf. Die Schichtoberfläche ist rau. Durch den Einfluss der diffusen Bogenentladung beim SAD-Prozess in Kombination mit einer Biasspannung von etwa 100 V werden die Mikrostruktur der Chrom-Zirkon-Schicht dichter und die Oberfläche glatter (Bild 2 rechts). Auch in Korrosionstests konnte der Effekt durch eine erhöhte Korrosionsbeständigkeit bei gleicher Schichtdicke nachgewiesen werden. Derartige dichte Schichten waren vorher nur bei sehr niedrigen Beschichtungsraten oder durch Magnetronsputtern herstellbar.
Bild 3 zeigt Aluminiumoxidschichten, die durch reaktive Bedampfung ohne (links) und mit Plasmaaktivierung durch den HAD-Prozess (rechts) bei vergleichbarer Substrattemperatur (500 °C) auf Stahlblech abgeschieden wurden. Auch hier ist der deutliche Einfluss der Plasmaaktivierung auf die Schichtstruktur sichtbar. Bemerkenswert ist dabei, dass durch den HAD-Prozess die Härte der abgeschiedenen Schichten von etwa 6 auf 12 GPa verdoppelt wird.
 
Bild 3: Einfluss der Plasmaaktivierung auf Struktur und Härte von Aluminiumoxidschichten abgeschieden auf Stahl: links ohne Plasmaaktivierung, poröse, amorphe Struktur, Härte 6 GPa und rechts mit Plasmaaktivierung (HAD-Prozess), dichte, amorphe Struktur, Härte 12 GPa.

 

Die Forschungs- und Pilotanlage MAXI
Das Ziel der beschriebenen PVD-Technologien, Schichtsysteme und Anwendungen ist die Herstellung und Vermarktung neuer innovativer Produkte im industriellen Massstab. Daraus resultiert die Notwendigkeit, alle Untersuchungen unter produktionsnahen Bedingungen durchzuführen und erzielte Ergebnisse aufzusklalieren, um deren Verwertung in Industrieanlagen sicherzustellen. Am Fraunhofer FEP steht dafür die Forschungs- und Pilotanlage MAXI (Bild 4 und 5) zur Beschichtung von Platten und metallischen Bändern zur Verfügung. Sie dient einerseits der Entwicklung neuer funktionaler Schichten und Schichtsysteme und andererseits der Weiter- beziehungsweise Neuentwicklung der benötigten PVD-Technologien. Mit dieser Anlage lassen sich Platten und metallische Bänder unter produktionsnahen Bedingungen ohne Vakuumunterbrechung vorbehandeln, mit mehreren unterschiedlichen Materialien durch Hochrate-PVD-Verfahren beschichten sowie gegebenenfalls auch nachbehandeln.
 
Bild 4: Ansicht der In-line-Beschichtungsanlage MAXI.

 

In den vier «technologischen Kammern» (Vorbehandlungsstation, Beschichtungsstation 1 und 2 sowie Nachbehandlungsstation) können unterschiedliche PVD-Prozesse sehr flexibel installiert werden. Für die Vor- beziehungsweise Nachbehandlung stehen beispielsweise mehrere verschiedene Ionenätzer sowie ein Strahlungs- und ein Elektronenstrahlheizer zur Verfügung. Zum Aufbringen von dünnen Zwischenschichten lassen sich zudem Magnetronquellen installieren. Die beiden Beschichtungsstationen sind vorrangig für die Elektronenstrahl-Hochratebedampfung vorgesehen. Mit einer maximal möglichen Elektronenstrahlleistung von 300 kW können dabei Metalle, Legierungen und Verbindungen, auch unter Nutzung der erläuterten Plasmaaktivierungsverfahren (SAD- und HAD-Prozess), mit hohen Beschichtungsraten abgeschieden werden. Ebenso ist die Installation anderer Verdampferquellen (z. B. so genannter Jet-Verdampfer für Zink oder Magnesium) und anderer Plasmaaktivierungsverfahren (z. B. mit Mikrowellenanregung) möglich.
 
Bild 5: Schema der In-line-Beschichtungsanlage MAXI.

 

Ausblick
Die PVD-Beschichtung metallischer Platten und Bänder eröffnet völlig neue Potenziale für die Herstellung attraktiver und innovativer Produkte mit verbesserten Oberflächeneigenschaften. Am Fraunhofer FEP wurden die verfahrenstechnischen Grundlagen vor allem für die plasmaaktivierte Elektronenstrahl-Hochratebedampfung erarbeitet, Kompetenzen gebündelt und auch die anlagentechnischen Grundlagen geschaffen, um F&E-Dienstleistungen zur Entwicklung neuer funktionaler Schichten und Schichtsysteme und die Weiter- beziehungsweise Neuentwicklung der benötigten PVD-Technologien anbieten zu können. Es erwartet auf diesem Gebiet einen weiteren grossen Innovationsschub. Dabei können hochwertige Produkte, die aus Halbzeugen wie metallischen Platten und Bändern mit mittleren Abmessungen gefertigt werden, eine besondere Rolle spielen. Beispiele sind:
  • dekorative und kratzfeste Schichten auf Edelstahl
  • Gleit- und Kontaktschichten
  • optische Schichten (auch für die Solarenergiegewinnung)
  • spezielle Funktionsschichten auf Edelstahl, Aluminium, Kupfer und Magnesium
 
Literatur
[1] Tagungsband «Verzinktes und beschichtetes Stahlblech», Deutscher Verzinkerei Verband e. V., Düsseldorf 1991
[2] Sommerkamp P.: Application of EB Coating in the metal industries. In Silva R. M.: Second EB Processing Seminar Frankfurt (Main), 1972. Dayton, Ohio: Universal Technol. Corp. 1972, p. 4 b 1 – 4 b 71
[3] Maeda M., Umeda S., Tsukiji N. and Narikawa K.: SAE Technical Paper Series 860273 (1986), p. 179-184
[4] Schiller S. Jäsch G., Anton K.-H., Holz E.: Electron beam evaporation of strip steel coating - state of the art and outlook. Proc. 7th Int. Conf. on Vacuum Metallurgy, 1982, p. 125
[5] Reinhold E., Richter J., Gawer O., Zschieschang E.: High Rate EB-PVD Processes for Optical Coating and Their Applicability for Long Time Deposition Cycles in Production Coaters. Proc. 41st Annual Techn. Conf. of SVC, 1998, p. 273 - 279
[6] Schiller S., Hötzsch G.: Neue Entwicklungen zum Vakuumbeschichten von Metallband. 33. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Galvano- und Oberflächentechnik, Fulda, September 1995
[7] Thornton J. A.: Thin Solid Films, 107 (1983), S. 3 – 19
[8] Mattox D. M.: Film Deposition Using Accelerated Ions. Electrochem. Technol., 2 (1964), 9/10, p. 295 – 298
[9] Deutsche Patentschrift DE 43 36 680
[10] Metzner Chr., Scheffel B. and Goedicke K.: Surf. Coat. Technol., 86/87 (1996), p. 769 - 775
[11] Neumann M., Morgner H. and Straach S.: Proc. 39th Annual Technical Conference of the Society of Vacuum Coaters (SVC), Philadelphia, PA/USA, May 1996, p. 446 - 450
 
 
Dr. rer. nat. Torsten Kopte
 
Abteilungsleiter Beschichtung Metall, Energietechnik & Reinigung
Prof. Dr. rer. nat. Christoph Metzner
Leiter des Bereiches Elektronenstrahl
Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl und Plasmatechnik (FEP)
Winterbergstrasse 28
D-01277 Dresden
Tel. +49 351 2586 120
Fax +49 351 2586 55 120
Torsten.Kopte@fep.fraunhofer.de
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